Es ist Samstagnacht, die Nacht der betrunkenen Schulkinder, als ich durch die Passauer Altstadt gehe und aus einem Haus Geschrei höre. Ein Mann und eine Frau brüllen sich an. Ich höre unglaublich lautes Gefluche und Ohrfeigen. Dann wieder schockierend lautes Gebrüll. Ich schaue mich um und überlege, ob ich die Polizei rufen soll.
Da bin ich schon am alten Bräuhaus vorbei. Eine Mischung aus Trägheit und Beschwichtigung hat mir dann den Glauben eingeflößt, dieser Lärm muß Kabarett oder Theater gewesen sein. Für manche wäre das ein Grund mehr, eine Geschmackspolizei kommen zu lassen.
Aber es ist Starkbierzeit, wie es auch zu mir durchdringt, also die Zeit der Alkoholkuren. Alles außer Alkohol? Jeder weiß von der Story mit den Mönchen, die bis Ostern nur noch Bier trinken ohne zu essen. Oder so. Ich will ja hier nichts verfälschen.
Aber es sind nicht die Mönche, die sich die Kante geben. Auch viele Teenager nutzen den leichten Zugang zu irgendwelchem Gebräu und meditieren sich damit weg. Aber schon so was von! Es ist nicht mehr lustig: der Alkohol ist praktisch umsonst, manche jungen Leute machen sich richtig kaputt damit, so wie sie dann auf der Straße rumliegen. Und die Enthemmtheit dann erst. Man macht schon fast einen Bogen um dieses eine Lokal in der Altstadt, dessen Wirt jetzt ein Problem mit dem Ordnungsamt hat. Aber die Sauf-Flatrate gibt es auch in anderen Lokalen in Passau. Die Nachfrage nach billigem Alkohol ist enorm. Wieso nur?
Das einzig positive daran: Begriffe wie „Flatrate“ sorgen nicht mehr für Hektik, sondern für Gelächter. Wie anders ist dieses Sauf-mich-tot-Spiel zu ertragen, das fast nur die staatliche Legitimierung von anderen Drogen unterscheidet. Unangenehm, ich möchte fast schon den Zeigefinger bewegen und „Schluß mit lustig“ sagen, wird es, wenn man solchen Schnapsleichen begegnet. Läuft jemand auf dich zu und brüllt dich an? Oder wird nur stinkend zur Seite getorkelt? Alleine heim gehende Frauen sind da nicht zu beneiden.
Die Alten sind genau so besoffen und da sieht es noch viel tragischer aus. Und es liegt wohl schon an der Starkbier- und Faschingszeit. Ein einzelner Babyboomer, den nur das Alter mit der Bill-Clinton-Generation verbindet, geht schreiend, greinend, fluchend nahe mir und meiner Begleitung. Man konnte echt Angst kriegen, so laut hat der gebrüllt und er muss wirklich vollkommen narkotisiert gewesen sein, bei diesen entstellten Gesichtszügen. Wir haben erst gedacht, der ist aus der Psychiatrie entlaufen, was ja nahe liegend ist, wenn jemand zu einem imaginären Freund spricht, oder schreit.
Sonst hat der Passauer nicht solche Räusche. Das war schon eine Ausnahme, aber ich weiß ja nicht wie es bei den Starkbierfesten zugeht, die ja obendrein noch die Verhohnepiepelung vor sich her tragen. Doch die geschieht ja ausschließlich von der Bühne aus und ist somit harmlos. Richtig verwirrend wird es aber erst, wie ich finde, wenn jemand von der Bühne herabsteigt und weiter den Besoffenen spielt. Wer hier wen verhohnepiepelt ist erst geklärt, wenn Gelächter eintritt oder die Leute „mit den weißen Schuhen“ kommen. Ob das dann Ärzte sind dürft ihr mich jetzt nicht fragen.